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FREDERICK GOWLAND HOPKINS |
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FREDERICK GOWLAND HOPKINS und die Vitamine. Lebensdaten: 1861 - 1947. Jahrhundertelang verließ man sich bei Ernährungsfragen auf die griechischen Mediziner Hippokrates und Galen, die bei den mittelalterlichen Scholaren als Autoritäten galten. Nahrung wurde als Teil der Gesundheit und Krankheit gesehen und gehörte in das größere Konzept der diatia, der »Lebensart«. Nahrungsmittel wurden in Übereinstimmung mit der damals vorherrschenden hippokratischen Temperamentenlehre klassifiziert. In der Aufklärung sah man die Verdauung als mechanischen Prozeß des Zermahlens und Zerkleinerns an, der dem Unterhalt und der Wartung der Körper-Maschine diente. Erst mit dem Aufkommen der experimentellen Medizin und Wissenschaftlern wie CLAUDE BERNARD war es möglich, differenziertere Sichtweisen zu entwickeln. Durch die Fortschritte in der Chemie im 19. Jahrhundert waren schließlich die Grundlagen für ein gründlicheres Verständnis der Nahrung gegeben. Neue Konzepte zu ihrer Erforschung wurden entwickelt, am erfolgreichsten stellte sich dabei der britische Mediziner und einer der Begründer der Biochemie, Frederick Gowland Hopkins, heraus. Hopkins wurde am 20. Juni 1861 in Eastbourne, Sussex, geboren. Sein Vater Frederick Hopkins starb kurz nach seiner Geburt, worauf seine Mutter Elizabeth Gowland Hopkins zur ihrer Familie in London zurückkehrte. Frederick fand dort in seinem Onkel eine unnachsichtige Vaterfigur, erhielt eine gewöhnliche Erziehung, war oft alleine und einsam und verschlang die Romane von Charles Dickens. Literarisch war die Familie nicht unbelastet, war doch der Dichter Gerard Manly Hopkins ein Cousin zweiten Grades. In der Schule zeichnete er sich kaum aus, zu Hause aber wurde er vom Mikroskop seines verstorbenen Vaters angezogen. »Tief in mir spürte ich«, schrieb er später, »daß die Macht des Mikroskops, die sich mir so zu erkennen gab, etwas sehr wichtiges sei.« Er war an Käfern interessiert, und seine erste wissenschaftliche Arbeit - veröffentlicht, als er siebzehn Jahre alt war - befaßte sich mit den kleinen heißen Gaswolken, die Bombardierkäfer zur Verteidigung aus den Drüsenkammern am Hinterleibsende ausstoßen. Hopkins Hochschulausbildung war ein langer und steiniger Weg. Als er siebzehn Jahre alt war, besorgte ihm sein Onkel eine Stelle bei einer Versicherungsgesellschaft, bei der er nur sechs Monate blieb. Es folgten drei Jahre, in denen er in statistischen Methoden ausgebildet wurde, bevor er zeitweise an der Universität in London Chemiekurse besuchte. Als ihm eine kleine Erbschaft die Fortführung der Ausbildung ermöglichte, begann er Medizin zu studieren. 1894 erhielt er den Abschluß. Bis 1898 arbeitete er am Guy's Hospital als Assistent des Forensik-Experten und war an einigen bemerkenswerten Mordfällen beteiligt. Darunter am Fall von Florence Maybrick, die einen großen Posten Fliegenpapiers erwarb, bevor man ihren Ehemann mit Arsenvergiftung auffand, und dem der hübschen Adelaide Bartlett, deren Liebhaber ihr eine Flasche mit Chloroform kaufte, worauf ihr Ehemann eine Überdosis davon zu sich nahm. Noch am Guy's Hospital entwickelte Hopkins ein Verfahren zum Nachweis von Ameisensäure in Körperflüssigkeiten, eine Methode, die in der Medizin und in der Forschung große Verbreitung fand. Seine wichtigsten Arbeiten aber - über Proteine, Aminosäuren und Enzyme - fanden an der Universität Cambridge statt. 1898 wurde er dorthin von Michael Foster, der bereits das Talent von CHARLES SHERRINGTON entdeckt hatte, eingeladen. Hopkins Entdeckung der Vitamine kam zur Jahrhundertwende. 1900 entdeckte er die Aminosäure Tryptophan, die er aus Proteinen isoliert hatte, und die Tryptophan-Reaktion und zeigte ihre Bedeutung für die Nahrungsaufnahme und das Wachstum. Hopkins hatte damit eine historische Wegkreuzung erreicht. Allgemein glaubte man damals, daß allein die Proteine für das Wachstum verantwortlich seien. Er stellte fest, daß Tryptophan nicht nur essentieller Bestandteil der Nahrung ist, sondern daß die Aminosäuren allgemein die Qualität der von ihnen gebildeten Proteine bestimmen. Im ersten Jahrzehnt des Jahrhunderts unternahm er Experimente, die zeigten, daß Tiere nicht richtig wachsen können, wenn, wie er 1909 erklärte, »sie mit sogenannter synthetischerNahrung gefüttert werden, die aus einer Mischung aus reinen Proteinen, Fetten, Kohlenhydraten und Salzen besteht.« Gleichzeitig können andere Substanzen, die in der gewöhnlichen Nahrung zu finden sind, »werden sie in erstaunlich geringer Dosis dem Futter zugefügt, zur Anreicherung der Proteine und der Energie beitragen, die in den künstlichen Mischungen enthalten sind.« Die Substanzen, die Hopkins 1906 als »zusätzliche Nahrungsfaktoren« bezeichnete, sind heute als Vitamine bekannt. Heute rechnet man etwa vierzehn Substanzen zu den wichtigsten Vitaminen, die notwendig sind für das normale Wachstum und die Gesundheit. Das erste Vitamin allerdings war bereits 1897 entdeckt worden, wie man nachträglich feststellte. Christiaan Eijkman hatte erkannt, daß seine zu experimentellen Zwecken gehaltenen Hühner, wenn er sie ausschließlich mit geschältem Reis fütterte, an Beriberi erkrankten, einer neurologische Krankheit. Die lebenswichtige Substanz, die dadurch verlorenging, war, wie sich herausstellte, Thiamin oder Vitamin B/. Die Isolierung der verschiedenen Vitamine umfaßte mehrere Jahrzehnte. Vitamin E zum Beispiel wurde 1922 entdeckt, 1936 in Reinform gewonnen und zwei Jahre später chemisch bestimmt. Grundlegendes Prinzip aller Vitamine jedoch blieb Hopkins Konzept der »zusätzlichen Nahrungsfaktoren«. »Erst durch Hopkins Arbeiten«, schreibt Ernest Baldwin, »wurde die Existenz von Vitaminen unwiderruflich bestätigt.« 1929 erhielt er zusammen mit Eijkman den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin. Hopkins Arbeit über die Vitamine ist repräsentativ für seine Bedeutung bei der Entwicklung der Biochemie. Obwohl er vor allem ein Experimentalist war, verfügte er über beträchtliche theoretische Fähigkeiten. Er erkannte, wie wichtig physikalische Konzepte wie die Hauptsätze der Thermodynamik waren, wenn man die Funktionsweise von Zellen verstehen wollte. Aber ihm war auch bewußt, daß die Experimente an lebenden Organismen durchgeführt werden mußten. Chemische Abläufe innerhalb der Zelle konnten in ihrer Komplexität nicht verstanden werden, wenn sie in Reagenzgläsern - als eine Art chemische Mechanik - erforscht wurden. In seiner 1913 gehaltenen Vorlesung über »Die dynamische Seite der Biochemie« sah er diese als eine Wissenschaft, die auf dem Studium von durch Enzyme vermittelten Stoffwechselabläufen basiert -die »klassische Formulierung zur Biochemie«, wie Neil Morgan sie bezeichnete. 1914 erhielt Hopkins an der Universität Cambridge den ersten Lehrstuhl für Biochemie. Während des Ersten Weltkriegs erkannte er, daß der Margarine, dem neuen Ersatzmittel für die rationierte Butter, wesentliche Nahrungsstoffe abgingen. Dies führte zu den ersten angereicherten Nahrungsmitteln. Nach dem Krieg führte er die Forschungen fort, entdeckte Glutathion, ein wichtiges Antioxidationsmittel mit lebenswichtigen biochemischen Funktionen in der Zelle, und betrieb Studien zur Milchsäure, dem Endprodukt der anaeroben Glykolyse im Muskelgewebe. Kein Wissenschaftler allein hatte die Biochemie erfunden; Hopkins jedoch gehörte sicherlich zu den Schlüsselfiguren nicht nur wegen der grundlegenden Sätze, die er aufstellte, sondern auch durch seine Arbeit als Lehrender. Von 1921 bis 1943 hatte er den Sir-Frederick-William-Dunn-Lehrstuhl für Biochemie in Cambridge inne. Hopkins erwarb sich einen internationalen Ruf und bildete zahlreiche Studenten aus, die seine Arbeit fortsetzten und seine Gedanken verbreiteten. Emotional schien er keineswegs so gefestigt gewesen zu sein wie seine Errungenschaften. 1910 schien er einen kurzen Nervenzusammenbruch erlitten zu haben, und sein ganzes Leben lang zweifelte er an seinen intellektuellen Fähigkeiten, auch nachdem er 1905 in die Royal Society aufgenommen wurde. 1925 wurde er zum Ritter geschlagen, 1926 erhielt er die renommierte Copley Medal. Er war mit Lessie Ann Stevens verheiratet und Vater von drei Kindern. Hopkins starb am 16. Mai 1947. |
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