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FRANZ BOAS

 
     
  FRANZ BOAS und die moderne Anthropologie. Lebensdaten: 1858 - 1942. Franz Boas ist der Begründer der modernen Anthropologie und bis zur Mitte dieses Jahrhunderts eine ihrer herausragenden Persönlichkeiten. In seiner äußerst produktiven Karriere, die sechs Jahrzehnte umfaßte, führte er die Anthropologie heraus aus dem Zeitalter, in dem anthropologische Abhandlungen vornehmlich als Reiseberichte gelesen wurden, und entwickelte die Vision einer Wissenschaft, die mit sorgfältig gesammelten Daten und humanistischen Zielsetzungen arbeitete. Mit Überzeugung vertrat Boas relativistische, antiautoritäre Positionen, sein wissenschaftliches Werk beinhaltet grundlegende Aussagen zum Thema Rasse. Daneben hatten Boas' Erkenntnisse über die kulturelle Bedeutung der Sprache Einfluß auf die Entwicklung der kognitiven Wissenschaften. Boas »war einer dieser Titanen des 19. Jahrhunderts«, schreibt CLAUDE LEVISTRAUSS , »dessen wissenschaftliche Produktivität einem nicht nur wegen seiner Quantität, sondern auch wegen seiner Vielschichtigkeit Respekt abverlangt: Physiologische Anthropologie, Linguistik, Völkerkunde, Archäologie, Mythologie, Folklore, nichts war ihm fremd. Seine Arbeit deckt den gesamten Bereich der Anthropologie ab. Die gesamte amerikanische Anthropologie stammt von ihm ab.« Franz Boas wurde am 9. Juli 1858 in Minden, Westfalen, geboren. Unter den sechs Kindern, von denen drei die Kindheit überlebten, war er der einzige Junge. Sein Vater Meier Boas war ein wohlhabender Kaufmann, seine Mutter Sophie, geborene Meyer, eine sozial engagierte Frau, die nach dem Vorbild Fröbels den örtlichen Kindergarten gründete. Franz, der in einem liberalen, freidenkerischen jüdischen Haushalt aufwuchs, war ein schwaches, kränkelndes Kind. Ab 1877 besuchte er die Universitäten Heidelberg, Bonn und Kiel, wo er 1881 im Fach Physik promovierte. Seine Dissertation auf dem Gebiet der »Psychophysik« beschäftigte sich mit dem Problem der Farbwahrnehmung. Ähnlich wie sein Zeitgenosse aus dem frühen 19. Jahrhundert, Alexander von Humboldt, verspürte Boas schon als Student den Wunsch nach Entdeckungsreisen. 1883, nach seiner Militärdienstzeit, nahm Boas an einer Expedition zu den Eskimos auf Baffin Island in der kanadischen Arktis teil. Ursprünglicher Zweck der Reise war es, verbesserte Karten der Region zu erstellen; als er zurückkehrte, hatte sich der Schwerpunkt seines Interesses auf die Kultur als Ganzes verlagert. War er zuvor am Studium der Wahrnehmung als »intelligentes Verständnis komplexer Phänomene« interessiert, wie er schrieb, so war es nun das Verhalten der Menschen, die Völkerkunde. Einige Jahre später, 1888, veröffentlichte er Die centralen Eskimos. Ein Aufenthalt in New York, der sich seiner Arktisreise anschloß, hinterließ bei ihm einen nachhaltig positiven Eindruck; das intellektuelle Leben fand er anregender und freier als an den deutschen Universitäten mit ihren antisemitischen Ressentiments. Als Folge davon nahm er 1887, nach einigen Jahren des Lehrbetriebs in Deutschland, eine Stelle als Journalist für die Zeitschrift Science an. Mehrere Jahre verband Boas populärwissenschaftlichen Journalismus mit wissenschaftlichen Forschungen. In den 90er Jahren begann Boas die grundlegenden Ziele seiner Karriere neu zu formulieren. Er begab sich wieder an die Universität, um die Anthropologie als wissenschaftliche Disziplin zu etablieren. Vier Jahre lang, von 1888 bis 1892, hatte er eine Dozentenstelle an der Clark University, 1894 wurde er zum Direktor des Field Museum in Chicago ernannt. 1896 wurde er stellvertretender Direktor am American Museum of Natural History, 1901 dessen Direktor. In dieser Funktion leitete er die ehrgeizige Jessup North Pacific Expedition. Deren vorrangiges Ziel war es, die Beziehungen zu bestimmen, die zwischen Sprache, Kultur, Brauchtum und Rasse bestehen. 1899 wurde Boas Professor für Anthropologie an der Columbia University, wo er die nächsten achtunddreißig Jahre bleiben sollte. Die Stellung ermöglichte ihm, beträchtlichen Einfluß auf die Entwicklung des wissenschaftlichen Ansehens seines Faches auszuüben. Er wandte sich mit derselben Entschiedenheit gegen selbsternannte Amateure wie gegen den Szientismus und die »evolutionäre« Anthropologie, welche die europäischen Völker als End und Höhepunkt der Zivilisation ansah. Und wenn er quantifizierbare Daten einforderte, so war ihm durchaus bewußt, daß die Anthropologie niemals die Präzision der Naturwissenschaften erreichen konnte. Bereits 1888 hatte Boas mit der Feldforschung bei den Kwakiutl-Indianern an der nördlichen Pazifikküste begonnen, die ihn sein Leben lang begleitete - insgesamt sollte er dreizehn Reisen nach British Columbia unternehmen. Boas legte niemals ein definitives ethnographisches Werk über die Kwakiutl vor, doch schrieb er über sie ausführlich und entwickelte dabei ein wichtiges Modell für die anthropologische Forschung. Laut Boas sollten »primitive« Stämme detailliert erforscht werden - dazu gehörte das sorgfältige Sammeln von Artefakten und Aufzeichnungen zu allen Aspekten der Kultur, der Geschichte, Sprache, Bräuche und der geographischen Umgebung. Boas befürwortete dabei eine vergleichende Methode; um die Ausbildung kultureller Unterschiede nachvollziehen zu können, mußten auch benachbarte Stämme erforscht werden. Auf die beharrliche, extensive Materialsammlung folgte die Formulierung allgemeinerer Aussagen, aus denen schließlich Gesetzmäßigkeiten der kulturellen Entwicklung abgeleitet werden konnten. Manchmal wurde Boas für das umfangreiche Material, das er zwar anhäufte, aber nicht analysierte, kritisiert; seine Betonung, daß auch das kleinste Detail von Bedeutung sein könne, übte allerdings großen Einfluß auf seine Studenten aus, unter denen sich Margaret Mead, Ruth Benedict und Ralph Linton befanden. 1911 veröffentlichte Boas The Mind of Primitive Man. Das Buch ging aus einer Vortragsreihe hervor, in der er die Vorstellung attackierte, daß es »mindere« Rassen gebe. »Mehr als jeder andere Anthropologe«, schreibt Marshall Hyatt, »war dafür verantwortlich, daß sich die Wissenschaften vom Sozial-Darwinismus ab und den Menschenrechten zuwandten. Pseudo-Wissenschaftler konnten nun kein Monopol mehr erheben, wenn sie beweisen wollten, daß Schwarze minderwertig wären. Sein von der Vernunft geleiteter Angriff auf den Rassismus und sein Eintreten für die Afro-Amerikaner waren bezeichnend für die enge Verbindung, die zwischen Boas' sozialem Engagement und seiner wissenschaftlichen Arbeit bestand.« Mit Boas Studium der Schwarzen in den USA ging eine Untersuchung auf dem Gebiet der physiologischen Anthropologie einher. Sie befaßte sich mit den Rassen, die angeblich ein »kleineres Gehirnvolumen« aufwiesen und damals unter dem Protest der US-Bevölkerung von Europa nach Amerika einwanderten. Nachdem rassenbewußte Amerikaner scheinbar wissenschaftliche Argumente in den Kampf geführt hatten, untersuchte Boas im Auftrag der amerikanischen Einwanderungsbehörde europäische Immigrantenfamilien. Bei den Messungen stieß er bei den verschiedenen Immigrantengruppen auf eine bemerkenswerte physiologische Verformbarkeit, die sich bereits innerhalb einer Generation auswirkte. Durch Schädelvermessungen stellte er zum Beispiel fest, daß Einwanderer mit langen Köpfen nach ihrer Ankunft in den Vereinigten Staaten Kinder mit kürzeren Köpfen zeugten. Obwohl keine seiner Vermessungen auffällige Unterschiede zwischen den Rassen nachwies, konnte er sagen, daß »nicht einmal die Rassenmerkmale, die sich in der alten Heimat als sehr beständig herausgestellt haben, in der neuen Umgebung gleichbleiben.« Sein Bericht Changes in Bodily Form of Descendants of Immigrants (Körperliche Veränderungen bei den Nachfahren von Immigranten) wurde 1911 von der US-Regierung veröffentlicht. Noch zu Lebzeiten Boas' wandelte sich die Anthropologie zu einer differenzierten Wissenschaft mit zahlreichen konkurrierenden Methodologien. Boas' übergreifender Einfluß zeigt sich heute vielleicht am deutlichsten in seiner Betonung der analytischen Linguistik. Sein Handbuch der Indianersprachen wurde 1911 veröffentlicht, die Ansichten, die er darin darlegte, trugen reiche Früchte. Leonard Bloomfield meint, daß er »fast im Alleingang das phonetische und strukturale Beschreibungsinstrumentarium geschaffen« habe. Und laut George W. Stocking »markiert Boas innerhalb der Methoden und Grundannahmen der amerikanischen Linguistik den Übergang zur modernen beschreibenden Linguistik.« Boas' Leben und Karriere verliefen nicht ohne Konflikte. Er war mit Mari Krackowizer verheiratet, mit der er sechs Kinder hatte, von denen zwei noch im Kindesalter starben. Mari wurde 1929 bei einem Autounfall getötet. Während des Ersten Weltkriegs ruinierte sich Boas seinen Ruf, als er den Kriegseintritt der Vereinigten Staaten nicht unterstützen wollte. Er verlor die Präsidentschaft der Amerikanischen Anthropologischen Vereinigung und wurde zeitweise sogar als deren Mitglied ausgeschlossen. Am 21. Dezember 1942 nahm Boas an der Columbia University an einem Empfang für Paul Rivet teil, einem französischen Anthropologen, der aus dem von den Deutschen besetzten Frankreich fliehen konnte. Als Gäste waren Ruth Benedict und Ralph Linton anwesend. Claude LéviStrauss, der ebenfalls zugegen war, erinnerte sich, daß Boas mit »einer alten Pelzkappe ankam, die noch von seinen sechzig Jahre zurückliegenden Expeditionen zu den Eskimos stammen mußte.« Mitten in der Unterhaltung verstummte Franz Boas plötzlich, stieß sich vom Tisch weg und starb.  
 

 

 

 
 
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